Auch die Bauphysik hat ein Herz für Wildbienen. Diese dürfen seit Anfang des Jahres in die Prüfstände von Linda Meier vom Institut für Akustik und Bauphysik (IABP) der Universität Stuttgart einziehen. Die Wissenschaftlerin untersucht hier, in wieweit sich Nisthilfen in die Fassade von Häusern integrieren lassen, ohne einen negativen Effekt auf die Bausubstanz oder das Klima des Gebäudes zu haben. Dafür stehen drei Minihäuser mit unterschiedlichen Fassaden an je zwei Standorten: Ziegelbauwerk mit EPS-Dämmung, Ziegelbauwerk mit Holzdämmung und vorgehängter Holzverkleidung sowie ein Holzleichtbau. In Jedes eingelassen sind vier Holzbetonelemente gefüllt mit Hartholz, einem Lehm-Sand-Gemisch, Strangfalzziegel mit den typischen Löchern und Schilfrohr.
Zu Beginn ihrer Arbeit standen nicht nur trockene Recherchearbeiten zu Themen der Bauphysik und Wildbienenkunde an. Linda Meier fertigte auch die Holzbetonelemente und Nisthilfen größten Teils selbst. Ein Maurer und ein Zimmermann errichteten die Bauten und brachten die verschiedenen Nisthilfen an. Nach der Beobachtung der Wildbienen und der Kategorisierung des Blütenangebotes in diesem Sommer wird nun die Messtechnik verfeinert. Dafür werden Sensoren in die Fassadenelemente und den Innenraum integriert, programmiert und ausgelesen.
Fokus von Linda Meiers Doktorarbeit ist die Fassade. Dazu bestimmt sie die Oberflächentemperatur und deren Gefälle sowie unter anderem die Wärmeleitfähigkeit der verschiedenen Nistmaterialien. Für den Winter werden weitere Sensoren angebracht, um Feuchtigkeit und Temperatur im Tagesverlauf dokumentieren zu können. Die bauphysikalischen Effekte könnte man zwar auch größtenteils simulieren, aber der Charme und die Notwendigkeit der Prüfstände sei, dass hier auch parallel die Besiedlung der Nisthilfen, als weiteres fundamentales Ziel der Forschung, beobachtet werden könnte, so die wissenschaftliche Mitarbeiterin. Während zum Beispiel bei diesen Experimenten aktuell am Lehm häufig nur Material abgetragen wird, sind im Hartholz schon etliche Bruttunnel verschlossen.
Das freut die studierte Umweltschutztechnikerin umso mehr, weil sich die Standortsuche und der Aufbau der Prüfstände doch in den Frühling hineingezogen hatte. Die Standorte sind aber auch nicht einfach irgendwo. Auf den nahegelegenen Parkplatzinseln und Wiesen hat die Wilhelma spezielle Saatgutmischungen ausgebracht, die nahezu das ganze Jahr blühen. So ist das Futterangebot für die Wildbienen und ihre Nachkommen gesichert.
Dies alles berichtete Linda Meier an einem sonnigen Abend Anfang September den Interessierten vom Bienenschutz sowie zwei Informatikstudenten, die sich nach einer anstrengenden Klausur dazu gesellten. Ob einer der beiden die Hiwi-Stelle angenommen hat, die Linda ihnen anbot, und welche Erkenntnisse sie über den Winter ausarbeiten konnte, wird sie uns vielleicht an einem Abend in Frühjahr erzählen können.
An dieser Stelle möchten wir uns auf jeden Fall schon einmal für den tollen Abend in Vaihingen bedanken und freuen uns auf ein Wiedersehen.
Weitere Infos zu Linda Meiers Projekt findet ihr hier: https://www.f02.uni-stuttgart.de/fakultaet/aktuelles/news/Meine-neue-Nachbarin-ist-eine-Wildbiene-00001/